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Tolle Idee! Was wurde daraus?
Alternative Windrad-Konzepte sparen Ressourcen

Für den massiven Ausbau der Windenergie werden große Mengen Stahl benötigt. Seine Herstellung ist teuer und verursacht hohe CO2-Emissionen. Einige Forscher und Unternehmen suchen deshalb nach Alternativen: Sie setzen auf dünnere Türme oder den umweltfreundlichen Werkstoff Holz.

Von Tomma Schröder | 15.02.2022
Das Windrad der schwedischen Firma Modvion hat einen Turm aus Holz anstelle von Stahl.
Wenn Torsten Faber aus seinem Büro der Flensburger Hochschule hinausgeht, ist er mit wenigen Schritten am Fördeufer. Tauchenten schwimmen dort, Möwen und viele Segelyachten. Die Masten dieser Boote, brachten Faber und sein Team irgendwann auf eine Idee: Könnte man für Windkraftanlagen nicht viel dünnere Türme verwenden und sie dafür mit Seilen abspannen? Ähnlich wie man es bereits mit der ersten größeren Windenergieanlage, dem Growian, gemacht hat?

“Nur dass wir jetzt hier uns zusätzlich inspirieren lassen durch die Segelboote, die eben nicht so viel Platz haben, um die Abspannung in den Boden zu bringen, sondern die sind eben beschränkt auf die Breite des Bootes. Und genau diese Überlegung haben wir versucht zu übertragen auf die Windenergie, indem man oben eine – Saling heißt das im Schiffsbau, oder wir sagen auch Druckstrebe – einfügt und damit dann die abgespannten Seile mehr oder weniger senkrecht  herunterführen können.”

Segelschiffe dienten als Vorbild

Das sagte Torsten Faber bei einem Gespräch 2015. Die Idee, hoch oben eine Querstrebe wie bei Segelschiffen einzufügen, die verspannt wird und so Platz und Material einzusparen, ist bislang nicht aufgegriffen worden. Es gibt allerdings einige Hersteller wie Vestas, die das Abspannen von Türmen weiter erproben. Und einiges, was in Flensburg erforscht und getestet wurde, lebt in anderer Form weiter, betont Torsten Faber:

„Es hat Eingang genommen in ein ganz innovatives Konzept, was momentan im Offshore-Bereich in aller Munde ist. Das ist nämlich die Floating Structure, das heißt, das sind Anlagen, die schwimmend sind, für große Wassertiefen geplant, wo man das Problem der Gründungsstruktur dann in der Form nicht hat. Und dann gibt es ein sehr innovatives Projekt, wo auch schon der Prototyp im Maßstab 1:10 gebaut worden ist in der Ostsee. Das ist entwickelt worden von Aerodyn. Und diese schwimmende Struktur, die hat nicht nur einen Rotor, sondern zwei Rotoren. Und die Türme für die beiden Rotoren, die sind wiederum abgespannt.“ 
Das „Nezzie“ getaufte Konstrukt, bei dem v-förmige Streben zwei Windräder tragen, soll 2022 erstmals kommerziell gebaut werden.

Ein vielversprechender Holzweg

Ähnlich weit fortgeschritten ist auch eine andere Idee: Statt die Türme dünner zu machen, könnte man einfach ein Material verwenden, das weniger CO2-intensiv ist als Stahl und einfach recycelt werden kann. Zum Beispiel Holz. Wird es beschichtet, ist es ausreichend langlebig und stabil. Und die Verarbeitung sei im Prinzip auch recht simpel, sagt Otto Lundmann, CEO der schwedischen Firma Modvion: „Man kann sich das so vorstellen, dass man die Jahresringe im Holz zu dünnen Furnieren ausrollt und dann quasi die Baumstämme wieder mit etwas Platz in der Mitte zusammenleimt. So erhält man einen größeren Baum.“
Letztlich erreiche das Holz durch diesen schichtweisen Aufbau eine höhere spezifische Festigkeit als der sonst verwendete Stahl, so Lundmann: „Das bedeutet also, dass unser Turm bei gleicher Leistung nur zwei Drittel des Gewichts hat. Ein weiterer Vorteil ist der große Unterschied bei den CO2-Emissionen. So hat ein Holzturm im Vergleich zu einem Stahlturm mehr als 100 Prozent weniger CO2-Emissionen, da der Kohlenstoff im Material gebunden wird.“

Ersetze man einen 150 Meter hohen Stahlturm durch einen Holzturm, könnten insgesamt etwa 2000 Tonnen CO2 eingespart werden, sagt Lundmann. Doch so weit ist man noch nicht. Erprobt hat das Unternehmen nur eine kleinere, 30 Meter hohe Testanlage bei Göteburg. Damit liegt man deutlich unter dem 100 Meter hohen Turm, der bereits 2012 bei Hannover von der Firma TimberTower gebaut wurde und dort noch immer seine Robustheit unter Beweis stellt. Doch während TimberTower den Schritt zur Kommerzialisierung auch mangels größerer Partner nicht geschafft hat, hat Modvion immerhin eine Absichtserklärung mit dem Energieriesen Vattenfall abgeschlossen. Letzterer will seine CO2-Bilanz mit Hilfe der hölzernen Türme aufbessern.

Schlechte Zeiten für Innovatoren

Torsten Faber glaubt, dass diesen Weg zukünftig noch mehr Unternehmen einschlagen werden. Im Moment aber sieht er keine guten Chancen für Innovationen. Das liege paradoxerweise auch an der großen Nachfrage, die gerade herrsche: „Das Problem ist überhaupt, diese Nachfrage zu bedienen. Und da geht es der Branche genauso wie allen anderen Branchen auch, dass sie auch an Zulieferern hängen und dass sie gar nicht liefern können. Das Thema CO2-Bilanz, das wird schon immer mehr kommen. Und damit wird der Werkstoff Holz auch noch attraktiver werden – zukünftig. Aber zum jetzigen Zeitpunkt haben die Anlagenhersteller ganz andere Probleme als die, ihrer CO2-Bilanz gerecht zu werden.“
An der Hochschule hat man diesen Druck weniger. Faber und sein Team arbeiten gerade an einer Windkraftanlage für Entwicklungsländer. Die soll zwar nur eine Leistung von unter einem Megawatt haben, aber sowohl Turm als auch Rotorblätter bestehen aus Holz. Sie ist leicht zu transportieren und wird wie ein Segelmast ohne Kran aufgestellt und über Seile abgespannt. 2022 soll die Idee, die am Flensburger Hafen entstand, vorgestellt werden und später dann im gebirgigen Nepal umgesetzt werden